Volle Beere voraus.

Basis eines jeden Gins bildet das Mazerat. Sprich, ein Gemisch aus Wacholderbeeren und weiteren Botanicals eingelegt in Neutralalkohol von mindestens 96% vol. Versetzt mit mehr oder weniger Wasser - je nach Rezeptur. Dies ist der Ausgangspunkt für die Aromatisierung des Alkohols. Ohne Wacholderbeeren (lat. Juniperus) somit kein Gin. Davon bedarf es allerdings nicht unbedingt viel. Abhängig davon, ob der Wacholderbeere im Gin geschmacklich mehr Platz eingeräumt wird oder eben nicht. Bis zu zwei Jahren bedarf es bis die Wacholderbeeren gepflückt werden können. Zerreibt man dann eine der schwarzen Wacholderbeeren in der Hand, entfaltet sich ein intensives Aroma nach klebrigem Harz und süßlicher Würze. Im Mund hingegen kommen die Bitterstoffe voll zur Geltung. Deshalb rate ich an dieser Stelle einfach davon ab. Die ätherischen Öle sind es, die das wacholdertypische Aroma verströmen und für die Ginherstellung so interessant machen. Hierfür braucht es nun etwas Chemiekenntnisse. Konzentrieren wir uns auf vier Moleküle. Diese bestimmen weitestgehend das Aroma der Wacholderbeere. Pinen wie Harz und Pinien. Limonen wie Zitronen und Orangen. Sabinen wie Pfeffer. Und Myrcen, das mit anderen Botanicals neue aromatische Verbindungen eingeht und deshalb auch häufig in der Parfümherstellung eingesetzt wird. Wacholder lässt sich durch seine Moleküle (das sind weit mehr als die genannten) herrlich mit anderen Botanicals verbinden, die ähnliche Strukturen aufweisen. Denn einfach gesagt: Hier stimmt die Chemie.

Her mit den Drogen.

Etwas mehr Aroma als das der Wacholderbeere darf es im Gin dann doch sein. Wagen wir nach der Chemie nun einen Blick in die Botanik. Unzählige Kräuter, Gewürze und Früchte warten hier auf. Allgemein werden diese als Botanicals bezeichnet. In der Fachwelt sogar als Drogen. Weit über hundert sind in Gins vertreten und docken mit all ihren Molekülen an andere Aromen an. Zu Wacholder passen Koriander und Zitronenschalen perfekt. Wacholder und Koriander harmonieren durch ihren Geraniol-Anteil mit Thymian, Muskat und Rose. Hier wird es also blumig. Erfrischende Limonen-Wacholderbegleiter sind Zitrusfrüchte und Kardamom. Diese bringen wiederum neue Botanicals ins Spiel. Und so scheint es endlos weiter zu gehen. Thymian, Rosmarin, Salbei, Hopfen, Nelken, Angelikawurzel, Bergamotte, Orangenblüten, Preiselbeeren, Limetten, Grapefruit, Lavendel, Quitte,...

Ein Bad im reinsten Alkohol.

Sind die Drogen und ihr Verhältnis zueinander endlich gefunden, geht es ins Alkoholbad (= Mazerat). Wasser dazu. Abwarten. Wichtig ist, eine Gärung findet dabei nicht statt. Sonst handelt es sich um einen Brand und keinen Geist. Je nach Rezeptur und Botanicals wird das Mazerat für nur wenige Stunden oder mehrere Tage angesetzt. Manche Drogen werden erst kurz vor Ende der Mazerationsdauer hinzugefügt. Ähnlich wie beim Tee gibt es auch hier unterschiedliche Ziehzeiten. Mit unterschiedlichem Ergebnis. Oder aber jedes Botanical wird einzeln für sich mazeriert und erst später vermengt – vor oder nach der Gin-Destillation wie etwa beim Windspiel Gin aus der Eifel. Um es noch komplizierter zu machen, gibt es gar Verfahren, mit denen man bereits im Vorfeld aus Samen oder Schalen Öle ziehen kann. Diese werden dann nur noch ins Mazerat geträufelt. So ist es nicht verwunderlich, dass für die endgültige Gin-Rezeptur durchaus über 100 Testdestillate notwendig sind. Vom Mazerat zum Destillat. Darüber bald mehr.

DRINK AND ENJOY,

Dein Gino